Unterstützendes und kindgerechtes Lehren

Ein Interview mit Stefan Schmidt, Deutschland

Stefan Schmidt ist momentan einer der erfolgreichsten Gitarrenlehrer Deutschlands und weit über die Grenzen hinaus bekannt. Eine grosse Anzahl seiner Schüler spielen auf sehr hohem Niveau und sind bei Wettbewerben zuverlässig vorne platziert. Er unterrichtet am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg und ist leidenschaftlicher Privat-Gitarrenlehrer.

EGTA: Lieber Stefan, danke, dass du dir die Zeit nimmst ein Interview mit der EGTA zu führen. Momentan machst du viele Workshops, hast letztes Jahr ein pädagogisches Gitarrenfestival gegründet und demnächst kommt ein neues Video über dein Unterrichtskonzept von Ihor Kordiuk heraus. Ich finde es toll, dass du dein Konzept so selbstverständlich mit anderen teilst. Welche Bedeutung haben für Dich Weiterbildungen?

Stefan: Da ich sowieso ein Fan des lebenslangen Lernens bin, finde ich Weiterbildungen unabdingbar. Das kann sicher auf vielfältige Art und Weise geschehen, z.B. durch klassische Musikschulfortbildungen, bei denen man auch mit Kollegen ins Gespräch kommen kann, aber auch z.B. durch Videoanalysen auf YouTube. Die Allgegenwart von Musik im Internet ist für Konzertmusiker oft ein grosses Problem. Aber auf der anderen Seite kann man sich heutzutage unglaublich gut über neue Tendenzen des Unterrichtens, Interpretierens oder technisch-musikalische Abläufe des Instrumentalspiels informieren.
Man muss leider in dem Zusammenhang auch sagen, dass an vielen Musikhochschulen Didaktik und Methodik am Instrument bei der Ausbildung immer noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist, wenn man die Lebenswirklichkeit der Absolventen betrachtet, natürlich auf keine Weise angemessen. Dies mag auch der Grund sein, wieso meine Fortbildungen so gut besucht sind. Die Unsicherheit bei vielen Instrumentallehrern ist oft greifbar. Gerade bei der derzeitigen Gesundheitskrise ist Unterrichten eine der wenigen Möglichkeiten, mit der ein Künstler noch Geld verdienen kann.

EGTA: Es gibt ja eine riesige Anzahl von Gitarrenschulen auf dem Markt, welche Rolle spielt für dich die Wahl der richtigen?
Stefan: Die Gitarrenschule ist für mich gar nicht ausschlaggebend. Es gibt sehr viele, die didaktisch und methodisch sehr gut konzipiert sind. Deine Mutter hat im letzten Jahr auch eine sehr überzeugende herausgegeben! Ich bin sicher, dass man mit sehr vielen, die auf dem Markt sind, gut arbeiten kann. Wichtig ist dabei vor allem, dass der Lehrer sich in der Schule hervorragend zurechtfindet, damit er, ohne nachzudenken, sofort auf jeden Schüler individuell reagieren kann.

EGTA: Wir alle wünschen uns ideale Schüler, nur ist das eher selten der Fall. Du scheinst jedoch viele zu haben. Gibt es ein Geheimrezept?
Stefan: Welcher Schüler ist für jeden Lehrer der ideale Schüler? Wahrscheinlich einer, der sehr interessiert in die erste Stunde kommt, keine Berührungsängste kennt und sich noch dazu sehr leichttut. Dabei wird er von seinem Elternhaus unbedingt positiv unterstützt. Ich habe mir über viele Jahre sehr intensiv Gedanken darüber gemacht, welche Möglichkeiten ich als Lehrer habe, um diesen Idealzustand herbeizuführen oder ihm zumindest nahezukommen. Dem Lehrer steht dabei auf mehreren Ebenen eine Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, die wie ein Katalysator für eine verbesserte Lernumgebung wirken.

EGTA: Das tönt spannend, kannst du uns etwas über diese Methoden verraten?
Stefan: Die einzelnen Methoden aufzuschlüsseln würde jetzt den Rahmen dieses Interviews sprengen, aber ich möchte drei Stichpunkte nennen. Zum einen finde ich die nonverbale Kommunikation sehr wichtig, denn Kinder lernen viel schneller, wenn man sie auf der Gefühlsebene anspricht.
Dann das unterstützende Lehren: Der Lernprozess ist im grossem Masse steuerbar, wenn ich als Lehrer unterstützende Massnahmen, wie z.B. Mitsingen, Dirigieren, Zeigen, Schnipsen oder direktes Einwirken auf Bewegungsabläufe durch Berührungen benutze. Ebenso kann ich das Tempo „on the fly“ variieren. Das bedeutet, dass ich durch das Mitsingen, Zeigen und Dirigieren jederzeit das Tempo in die Bereiche ändern kann, in denen es dem Schüler möglich ist, die Stücke sauber zu spielen. Die Kombination dieser Massnahmen ermöglicht im hohen Masse schnelle Fortschritte und eine optimale Kontrolle über den Lernprozess von Anfang an.
Als letzter Punkt ist die psychologische Ebene entscheidend. Es muss mein Ziel sein, die Eltern stolz zu machen und den Schülern zu vermitteln, dass Gitarre ein für sie leicht zu erlernendes Instrument ist. Ziel dabei ist, das grösstmögliche Lerntempo für jeden Schüler zu finden, ohne dabei Druck auszuüben. Jede Motivationsmöglichkeit sollte genutzt werden. Dann habe ich die besten Voraussetzungen, um schnell voranzuschreiten, frühzeitig Kammermusikprojekte zu planen und kurz-, mittel- und langfristige Ziele zu definieren.

EGTA: Was wäre denn ein gutes Ziel nach zwei Jahren Gitarrenunterricht?
Stefan: Nach zwei Jahren sollten die Schüler im optimalen Fall schon sehr gut Noten lesen können, sich zumindest in den unteren Lagen gut auskennen und Erfahrungen mit Kammermusik haben. Eventuell haben sie dann auch ihre ersten Wettbewerbserfahrungen gemacht.

EGTA: Deine Schüler spielen anfangs ja immer mit Kapodaster im VII. Bund, was ist der Grund dafür? Es gibt ja auch kleine Gitarren für Kinderhände... Stefan: Der Kapodaster hat im Anfangsbereich grosse Vorteile: Selbst bei sehr kleinen Gitarren fällt es den Kindern oft schwer in der ersten Lage entspannt alle vier Finger gleichzeitig aufzusetzen. Der Kapodaster ermöglicht dies ohne Probleme. Ausserdem verringert er den Abstand der Saite zum Griffbrett, was die Arbeit mit der linken Hand ungemein erleichtert. Der Lehrer hat zudem die Möglichkeit durch das Fixieren des Halses mit einer Hand die Haltung zu stabilisieren und kann durch Greifen auf der vom Korpus abgewandten Seite des Kapodasters dem Schüler sehr genau demonstrieren, worauf er beim Greifen achten sollte. Bei Kindern mit absolutem Gehör platziere ich den Kapo meist auf dem dritten Bund und stimme die Gitarre um eine kleine Terz tiefer.

EGTA: Manchmal finde ich es schwierig musikalische Dinge im Unterricht nicht zu abstrahieren, wie zum Beispiel das ständige mitzählen. Du bist bekannt für eine sehr musikalische Unterrichtsweise, hast du da ein paar Anregungen?
Stefan: Ich singe oft den Rhythmus und schnipse oder versuche eine Bewegung einzubauen, damit der Abstand zwischen den Noten greifbar wird. Es geht darum, dass Schüler ein Gefühl für die musikalischen Elemente entwickeln. Nur das Wissen darüber macht noch keine spannende musikalische Gestaltung. Wenn ich zum Beispiel eine Phrasierung verstehe, heisst das noch nicht, dass ich sie musikalisch vortragen kann. Das kann ich nur, wenn ich sie komplett, mit sämtlichen Spannungszuständen, erfühlen kann. Ich versuche vor allem dem Schüler das Gefühl für die für ihn beste Interpretation zu geben. Danach kann ich die passende Theorie dazu mitliefern.

EGTA: In der Schweiz ist die Normallektion für Instrumentalunterricht 25 min. Wie würdest du vorgehen, wenn du so wenig Zeit mit einem Schüler hättest?
Stefan: Mein Unterrichtssystem basiert auf einer möglichst optimalen Ausnutzung der Unterrichtszeit. Ich würde versuchen für jeden Schüler ein passendes Unterrichtsziel zu formulieren, das ich nach 25 Minuten zu erreichen versuche. Die Herausforderung für den Lehrer liegt darin, die geeigneten Unterrichtstechniken zur Verfügung zu stellen, die es ihm ermöglichen, diesem Ziel auf schnellstem Wege nahe zu kommen. Das finde ich sehr spannend, da ich auf alle Eventualitäten sofort reagieren muss.

EGTA: Letztes Jahr hast du dein erstes pädagogisches Festival „Focus Gitarre Friedberg“ durchgeführt. Wie läuft ein pädagogisches Festival ab? Und: Wird es eine Wiederholung geben?
Stefan: Ich hatte im letzten Jahr in meiner Heimatstadt Friedberg / Bayern die Möglichkeit im frisch und aufwändig renoviertem Wittelsbacher Schloss in einer unglaublich schönen Umgebung das Festival zu starten. Kern der Veranstaltung war eine Fortbildung für Gitarrenlehrer, die von Donnerstag bis Sonntag das ganze Festival bestimmte. Dabei waren auch Schüler meiner Klasse aller Altersstufen dabei, um beispielhaft Unterrichtsideen zu demonstrieren oder auch, damit die Teilnehmer bestimmte Methoden ausprobieren konnten, um anschliessend entsprechend gecoacht zu werden. Zu meiner Überraschung war dieser Kurs in kürzester Zeit ausgebucht. Die Teilnehmer waren dabei aus ganz Europa angereist. Begleitend gab es dazu Vorlesungen, viele Schülerkonzerte, die grösstenteils von meinen eigenen Schülern bestritten wurden, und ein Kinderkonzert. Auch ein Kinder- und ein Ensemble für Erwachsene wurden betreut. In den Abendkonzerten hörte man international erfolgreiche Ensembles mit ehemaligen Schülern von mir: das Weimar Guitar Quartet, das Duo Karuna und das Molina Guitar Duo, sowie die talentierten Solistinnen Leonora Spangenberger und Nadja Jankovic. Mit Guitarlift und La Mancha Guitars hatten wir zudem zwei wirklich hochkarätige Aussteller und Sponsoren mit im Boot. Da das Festival von Anfang sehr erfolgreich war und auch in Friedberg vom Publikum hervorragend angenommen wurde, werden wir es auf jeden Fall fortführen. Der geplante Termin ist 3. bis 6. Juni 2021. Unter www.focus-gitarre.com kann man sich zu gegebener Zeit informieren und anmelden.

EGTA: Gibt es Workshop Termine mit Dir in der Schweiz?
Stefan: In den letzten Jahren habe ich eine Reihe von Kursen in der Schweiz gegeben. Für die nächste Zeit bin ich im Gespräch mit der Musikschule / Hochschule in Basel und der Musikschule in Biel. Allerdings müssen wir erstmal die gegenwärtige Corona-Krise überstehen...

EGTA: Wir danken Dir, dass du deine Gedanken mit uns geteilt hast, es sind spannende Anregungen, die uns vielleicht gerade jetzt in der Corona Zeit auch zum Nachdenken über Veränderung und Neuem bewegen können. Lieber Stefan, alles Gute für Dich, bleib gesund und auf bald!

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Die älteste Gitarre von einem Schweizer Gitarrenbauer?