CD- Review: Vojin Kocić – Guitar Recital, Naxos Records
Von Michael Boner, 2021
Seit vergangenem Sommer übernahm Vojin Kocic eine Gitarrenklasse an der Zürcher Hochschule der Künste. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei CDs des in Zürich wohnhaften serbischen Gitarristen vorstellen. Als Preisträger von den international renomierten Gitarren-Wettbewerben „Heinsberger International Guitar Competition“ und „Michele Pittaluga Guitar Competition, Alessandria“ veröffentlichte Vojin Kocic 2019 zwei CDs auf dem Label Naxos Records.
Beim ersten betrachten des Programms der zwei CDs fällt der Umfang, die Spielzeit beider CDs zusammen beträgt satte zweieinhalb Stunden, und die umfassende Programmwahl auf. Die erste CD folgt lose dem Thema Variationen. Nach der Geigenpartita BWV 1004 von Bach mit der bekannten Ciaccona folgen Werke von G. Regondi, M.M. Ponce und dem jungen polnischen Komponisten Marek Pasieczny. Die zweite CD widmet sich dann Werken drei spanischer Komponisten des 20. und späten 19. Jahrhunderts.
Wer Vojin Kocic schon live erleben durfte weiss um seine ausserordentliche Musikalität, jede Note erhält ihre Bedeutung, jeder einzelne Ton wird beseelt. Vojins Spiel ist nie Show, es steht nie der Interpret sondern immer die Musik und die Komposition im Vordergrund.
Das Arrangement der Partita von Bach folgt stark der originalen Geigenfassung, wodurch die Umsetzung immer schlank und trotz gefühlvoller Spielweise nie romantisiert erscheint. Mit Beginn von Introduction und Caprice befindet man sich dann sogleich in einer ganz anderen musikalischen Welt. Vojins Spielweise transportiert bei diesem Stück von Giulio Regondi sofort die träumerische Stimmung die so typisch für die romantische Epoche ist. Einen grossen Bogen vermag Vojin dann bei Diferencias sobre 'La Folía' de España y Fuga von Ponce zu zeichnen, immerhin ein halbstündiges Variationswerk. Das Feingefühl für das Timing, welches das Werk zusammenwachsen lässt und die klanglich variable Gestaltung ist beeindruckend.
Bei der zweiten CD mit der Musik der spanischen Komponisten fällt als erstes die herausragende Interpretation der Sonate von Antonio José auf. Aber auch die zum Teil von Carlo Marchione extra für Vojin arrangierten Sätze der Suite Española von Isaac Albeniz zeigen das ausserordentliche Gefühl für Melodieführung und Phrasierung. Den Abschluss macht auf dieser CD die Segovia gewidmete Fantasia-Sonata von Joan Manen. Die verschiedenen opernhaften musikalischen Charaktere der einzelnen Teile dieses Stücks treten durch Vojins Interpretation in Dialog, setzen sich voneinander ab und verbinden sich doch zu einem grossen Ganzen.
Alles in allem legte Vojin hier zwei beeindruckende Debut-CDs vor: ein enorm umfassendes Programm, programmatisch sehr passend auf die zwei Alben aufgeteilt und durchwegs brillant interpretatorisch und technisch, und musikalisch und stilistisch variabel umgesetzt. Trotz aller Erfolge die Vojin bereits feiert ist es in Anbetracht von dem was man hier zu hören bekommt überraschend, dass er gerade in der Schweiz nicht noch mehr Beachtung findet.